Der Heilige Martin

Das erste Patronat

Da den Bewohnern des Villgratentales der Weg zur Sillianer Pfarrkirche auf die Dauer doch zu weit und zu beschwerlich war, beschlossen sie, ein eigenes Kirchlein zu bauen. Ein Anger am Fuße des Lahnberges wurde als Bauplatz auserkoren. Es war der Anger neben dem heutigen "Wegelethof", da dort eine Parzelle immer noch den Namen "'s Freithöfl" trägt, denn man fand anlässlich eines Baues menschliche Knochenreste. Die Bauern stellten fleißig Holz, machten ihre Schichten und konnten daher nach nicht allzu langer Zeit das wohlgelungen Werk bewundern. Die Weihe des Gotteshauses stand bevor - einer fehlte jedoch, und zwar der Patronatsheilige. Die guten Leutchen konnten sich in der Wahl dessen nicht einigen, und so beschlossen sie, ihr Kirchlein zunächst dem Schutz der "Allerheiligsten Dreifaltigkeit" anzuvertrauen, bis sich etwas Besseres fände. Somit wurde die erste Kirche im Villgratental der Dreifaltigkeit geweiht. So lange wurde um einen tüchtigen Heiligen weiter orakelt, bis sich einer aus dem "Rat der Alten" des Apostels seiner Urheimat, des heiligen Martinus, besann. Bischof Martinus war ein fränkisch-bajuwarischer Heiliger; das Villgratental wurde Mitte des 12.Jh. von Bayern aus besiedelt. Herzog Tassilo schenkte 788 die "Alpe Vilgratia" dem Benediktinerstift Schnarnitz. Daher auch in diesem Gebiet ausschließlich bajuwarische Flur- und Ortsnamen. Der Vorschlag wurde angenommen; seither und bis heute feiert man in Innervillgraten am Martinstage (11. November) das Kirchenpatronizium. Um aber die heilige Dreifaltigkeit nicht zu erzürnen, weihte man ihr das im 16. Jhdt. Auf dem Hochver erbaute "Bachlet-Kapellele", in dem eine hölzerne Altartafel mit jener zur Zeit der Gotik üblichen Darstellung der Dreifaltigkeit aufbewahrt wird. Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Hl. Geist sind in völlig gleicher Weise als alte Männer wiedergegeben; jeder von ihnen hält ein Zepter in der Hand und ihre Füße ruhen auf der Weltkugel. Kollreider-Hofbauer, Maria/Kollreider, Franz (1994); Die schönsten Sagen Osttirols. Innsbruck; Antiquariat Gallus.